Der Egerer Bahnhof – eine Besonderheit

Edith Bergler, Bayreuth

 

Eger erlebte wirtschaftlich ungefähr ab 1860 eine Aufwärtsentwicklung und eine Zunahme seiner Bevölkerung. Die Einwohnerzahl der rein deutschen Stadt stieg vom Jahr 1850 von 11.161 Bewohnern auf 26.631 inclusive 133 tschechischer Militärangehöriger im Jahr 1910.

An diesem Aufschwung hatte der Anschluß Egers an die Bahnverbindungen im Deutschen Reich entscheidenden Anteil, weil das damals österreichische Eger so aus der von Wien weit entfernten Grenzlage heraustreten konnte.

Bis zur Einbeziehung Egers in das Eisenbahnnetz mußte die Stadt zu den bereits im Königreich Bayern und in Böhmen bestehenden Eisenbahnstrecken Postverbindungen aufrecht erhalten.

Hervorzuheben ist, daß der Anschluß Egers an das Eisenbahnnetz nicht von Böhmen aus, sondern von Bayern und Sachsen her erfolgte und auf Initiative weitblickender Persönlichkeiten aus Eger betrieben wurde. Diese Tatsache kennzeichnet die historische Entwicklung dieses Grenzgebiets und die Wirtschaftsstruktur der Stadt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Der Egerer Hauptbahnhof entstand zwischen 1863 und 1865.

Er wurde von Ostbahn-Direktions-Architekt von Hügel aus München konzipierte und auf Kosten der kgl. bayerischen Bahnbauverwaltung errichtet.

Laut Vincenz Prökl gehörte das Bahnhof-Hauptgebäude zu den schönsten und größten Deutschlands und kostete 1,5 Millionen Gulden. Im Aufnahmegebäude (173,5 m lang), licht und bequem eingerichtet, befanden sich im Parterre drei Postlokalitäten für die Bahnverwaltung, drei große Wartesäle und ein Restaurationssaal; im 1. und 2. Stock lagen 80 Wohnräume.

Die Bahnhofsfläche betrug 220.406 Quadratmeter, die von 11 Hauptgleisen (Länge 22 630 m) durchschnitten wurden. Außerdem waren dort fünf große und drei kleinere Drehscheiben sowie zwei Schiebebühnen eingerichtet.

Das Wasser für die große Zahl an Lokomotiven wurde aus der Eger entnommen, gefiltert und mittels eines Pumpwerks, das in der Nähe des Viadukts stand, in das Bahnhofsgelände geleitet.

Auch in Franzensbad (heute Františkovy Lázně Haslau (heute Hazlov) und Asch (heute Aš) baute die kgl. bay. Bahnbauverwaltung Bahnhöfe. Der Bahnhof in Voitersreuth (heute Vojtanov) entstand auf Kosten der kgl. sächsischen Eisenbahnverwaltung.

 

Die Bahnlinien, die Eger zum Eisenbahnknotenpunkt machten

Diese Bahnlinie verband Eger mit Sachsen.

Sowohl die Strecke Eger-Asch als auch die Linie Eger-Voitersreuth mußte die Flußsenke der Eger überwinden. Daher wurde auf sächsische Staatskosten der 378 m lange und 24,8 m hohe Viadukt aus Fichtelgebirgsgranit gebaut.

Durch die Verlegung der bayerischen und sächsischen Bahnen auf österreichisches Gebiet, mit der auch Beamte und Bedienstete der kgl. sächsischen und der kgl. bayerischen Staatsbahnen nach Eger kamen, war es möglich, den Verkehr von Leipzig und Berlin nach München über Eger zu leiten. Davon profitierten besonders die Egerländer Weltbäder Franzensbad, Karlsbad und Marienbad.

Der Anschluß über Komotau (heute Chomutov) ermöglichte den Zugang zur österreichischen Buschtiehrader Eisenbahn nach Prag.

 

Nach dem Ende des 1. Weltkriegs wurde am 28. Oktober 1918 der erste tschechoslowakische Staat gegründet. Er entstand aus den österreichischen Landesteilen Böhmen, Mähren und Sudeten-Schlesien. Dadurch gelangten sämtliche Sudetendeutsche gegen ihren Willen unter tschechische Herrschaft. Eger und das Egerland lagen nun in der Tschechoslowakei.

Der Bahnhof in Eger hatte auf dem Staatsgebiet der erstmals gegründeten Tschechoslowakei eine Sonderstellung, da ihn die bayerische Staatsbahn gebaut hatte.

An der günstigen Verkehrslage der Stadt, die auch jetzt das Wirtschaftsleben bestimmte, hatte sich durch ihre Einbeziehung in den tschechoslowakischen Staat nichts geändert. Der Bahnhof von Eger blieb weiterhin ein Eisenbahnknotenpunkt, in dem fünf Hauptlinien endeten.

Drei davon kamen aus Deutschland und unterstanden der Direktion Regensburg der Deutschen Reichsbahn.

Die restlichen zwei wurden jetzt von der Tschechoslowakischen Staatsbahn betrieben. Daher gab es im Bahnhof deutsche und tschechoslowakische Fahrkartenschalter.

Am Ende des Jahres 1927 war der Staatsvertrag abgelaufen, der bezüglich der reichsdeutschen Bahnen zwischen Österreich und Bayern sowie Sachsen geschlossen worden war. Daher fanden im Oktober 1928 in Pilsen Beratungen über die Frage der auf tschechoslowakischem Gebiet liegenden reichsdeutschen Bahnen statt.

Am 27. Oktober 1927 einigte man sich auf eine Verlängerung der Konzession der Reichsbahneigentümer auf weitere 80 Jahre.

Zugeständnisse mußten von deutscher Seite bezüglich des Personals auf dem Egerer Personalbahnhof gemacht werden. Danach sollten etwa 100 reichsdeutsche Eisenbahner durch tschechoslowakisches Personal ersetzt werden. Das entsprach ungefähr einem Sechstel des gesamten reichsdeutschen Bahnpersonals. Das Personal des deutschen Güterbahnhofs sowie das Personal aller übrigen auf tschechoslowakischem Gebiet befindlichen Stationen blieb jedoch reichsdeutsch.

Für die Bahngemeinschaft in Eger führte die Deutsche Reichsbahn die Verwaltung und unterhielt eine Betriebs- und Bauinspektion, ein Betriebsamt, zwei Heizhäuser, eine Bahnerhaltungsabteilung und Werkstätten.

Die Einrichtungen der Deutschen Reichsbahn wurden ausschließlich von reichsdeutschen Bahnangestellten betrieben. Diese Arbeitsplätze waren sehr begehrt, da zum Lohn ein Auslandszuschlag gezahlt wurde.

Die Tschechoslowakische Staatsbahn war mit einem Betriebsamt, einer Bahninspektion und zwei Heizhäusern beteiligt.

Diese Einrichtungen waren nötig, um dem hohen Verkehrsaufkommen im Bahnhof gerecht zu werden, in dem z. B. im Jahr 1930 täglich 105 Personenzüge, 44 Schnellzüge und 61 Güterzüge abgefertigt wurden. Dazu kamen noch durchschnittlich 8 bis 10 Güterzüge pro Tag aus den 37 für den Bedarfsfall vorgesehenen Güterzügen.

Nach dem Anschluß der Sudetengebiete an das Deutsche Reich am 29. September 1938 wurde das tschechoslowakische Personal durch deutsche Bahnbedienstete ersetzt, denn Eger befand sich nun in Deutschland. Die Verantwortung im Bahnhof lag nun in den Händen Reichs- und Sudetendeutscher.

Am 8. April 1945 wurde der Bahnhof bei einem amerikanischen Bombenangriff zerstört (siehe unter "Fliegeralarm in Eger").

Nach der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 entstand die Tschechoslowakei in den Grenzen wieder, die vor dem Anschluß der Sudetengebiete an das Reich gegolten hatten. Eger lag nun wieder in der Tschechoslowakei und kam mit dem Egerland sowie weiteren Teilen Westböhmens unter amerikanische Verwaltung. Daher durfte in diesen Gebieten die sogenannte "wilde" Vertreibung der Deutschen mit ihren grauenhaften Begleiterscheinungen (siehe unter "Die Vertreibung", Punkt 1) nicht durchgeführt werden.

Schon vor Kriegsende hatten die Alliierten Edvard Beneš, dem 1938 zurückgetretenen Staatspräsidenten der Tschechoslowakei, ihre Zustimmung zur sofortigen Repatriierung Reichsdeutscher gegeben, die nach 1938 in die angeschlossenen Sudetengebiete gezogen waren.

Daher mußte die amerikanische Verwaltung die Vertreibung Deutscher aus Eger (Cheb) im Juli 1945 zulassen.

Die tschechoslowakischen Behörden gingen dabei aber in keiner Weise selektiv vor, d. h., sie unterschieden nicht zwischen Reichs- und Sudetendeutschen, aber auch nicht zwischen Reichsdeutschen, die erst nach 1938 zugezogen und von denen sofort nach Kriegsende viele ins Altreich geflohen waren, und denen, die aufgrund der Sonderstellung des Bahnhofs in Eger schon seit der 1. Tschechoslowakischen Republik hier wohnten. Sie vertrieben sämtliche Beamte und Angestellte des Egerer Bahnhofs mit je 25 kg Gepäck, weil sie Deutsche waren (siehe unter "DieVertreibung", Punkt 2).

1946 stellten Tschechen im zerstörten Bahnhof bei der sogenannten "geregelten" Vertreibung der Deutschen (siehe unter "Die Vertreibung", Punkt 3) Vertreibungszüge zusammen.

Zwischen dem 25. Februar und dem 21. Oktober wurden aus Eger 31.171 Egerländer in 26 Zügen, bestehend aus je 40 Viehwaggons mit je 30 Personen, in die amerikanische Zone abtransportiert (siehe unter "Die Vertreibung", Punkt 3.1).

Detaillierte Angaben über die Vertreibungszüge, die von Eger in die sowjetisch besetzte Zone fuhren, können nicht gemacht werden, weil nur eine landesweite Gesamtzahl der Vertriebenen vorliegt (siehe unter "Die Vertreibung", Punkt 3.2).

 

Quellen:

Bohmann Alfred: Das Sudetendeutschtum in Zahlen, München 1959

Jahnel Franz: Die Entwicklung der Egerer Eisenbahnlinien, in: Lorenz Schreiner (Hg.): Heimatkreis Eger, Amberg 1997, 3. Auflage

Prökl Vinzenz: Eger und das Egerland, Falkenau 1877, Bd. 2

Sturm Heribert: Eger – Geschichte einer Reichsstadt, Augsburg 1951

Sturm Heribert: Eger – Geschichte einer Reichsstadt, Bilderband, Augsburg 1952

"Egerer Zeitung" vom 18. 10. 1928

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