Diskriminierende Maßnahmen gegen alle Deutschen in der Tchechoslowakei nach Kriegsende 1945

(Edith Bergler, Bayreuth)

 

Westböhmen stand bis zu einer Linie Pilsen / St. Joachimsthal ( Plze / Jáchymov) unter amerikanischer Verwaltung. Daher war die deutsche Bevölkerung hier nicht den gleichen Grausamkeiten und Brutalitäten ausgesetzt wie in den Gebieten, die von den Sowjets besetzt waren. Trotzdem galten aber auch hier sämtliche Vorschriften, die die tschechoslowakische Regierung über die gesamte deutsche Volksgruppe verhängt hatte, sowie die Freiheit, alle Deutschen nach belieben zu berauben.

  1. Hausdurchsuchungen, bei denen alles mitgenommen wurde, was den Räubern gefiel;
  2. Beschlagnahme von Häusern und Wohnungen, ohne Zuweisung einer Bleibe für die Besitzer;
  3. Enteignung aller Gewerbebetriebe, Geschäfte, Fabriken etc. durch den Einsatz eines tschechischen Verwalters/správce, wodurch die Besitzer zu Zwangsarbeitern wurden;
  4. Verhaftungen ohne Angabe von Gründen, was die sofortige Sperrung aller Konten zur Folge hatte und die betroffenen Familien mittellos machte;
  5. Sadistische Verhörmethoden, völlig überfüllte Haftanstalten, unzureichende Ernährung, Errichtung von Internierungslagern in Industriebetrieben und auf Sportplätzen;
  6. Allgemeine Meldepflicht;
  7. Ausschluß von jeglicher medizinischen Versorgung;
  8. Ablieferung der Rundfunkgeräte und Fahrräder;
  9. Verbot, die deutsche Sprache in der Öffentlichkeit zu sprechen;
  10. Einstellen der Bezüge für Rentner und Pensionäre, die von ihren Konten nur Kleinstbeträge abheben durften.

Neben den genannten Demütigungen mußten sämtliche Deutsche, auch die Antifaschisten, die die nationalsozialistischen Konzentrationslager überlebt hatten oder aus dem Exil in die Tschechoslowakei zurückgekehrt waren, weitere von der tschechoslowakischen Regierung verordnete diskriminierende Maßnahmen über sich ergehen lassen, die der Idee einer kollektiven deutschen Schuld entsprangen und nicht nur mit der nationalsozialistischen Judenpolitik gerechtfertigt wurden, sondern sich auch an ihr orientierten.

→ Kennzeichnungspflicht aller Deutschen

In Eger kennzeichnete man die Deutschen mit gelben Armbinden oder weißen, auf denen sich ein schwarzes N (Němec=Deutscher) befand. Weiße Armbinden mit einem schwarzen P (Pracovník=Arbeiter) wurden, mit einem Stempel vom Arbeitsamt versehen, von der Arbeitsstelle ausgehändigt.

→ Lebensmittelzuteilungen, die mengenmäßig den jüdischen Lebensmittelzuteilungen der Nazis entsprachen; (laut ČSR-Regierungsverordung vom 17. Mai 1945).

Sie enthielten weder Fleisch, Butter, Schmalz oder sonstige hochwertigen Fette noch Eier, Milch, Käse oder Obst. Für Kinder gab es keine Sonderzuwendungen. Das Brot war wesentlich kleiner als das für Tschechen gebackene, unterschied sich außerdem durch minderwertige Qualität und in Eger (Cheb) durch ein großes, in den Teig eingedrücktes N.

Nur Schwerarbeiter hatten auf 2 kg Fleisch im Monat Anspruch.

→ Beschränkung der Einkaufszeit

Die Einkaufszeit war genau vorgeschrieben und so gelegt, daß Deutsche, die eine Arbeitsstelle hatten oder zu Zwangsarbeit eingeteilt waren, nicht einkaufen konnten.

→ Beschränkung der Bewegungsfreiheit

Deutsche durften sich nur 7 km von ihrem Wohnort entfernen.

→ Verbot, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen

→ Sperrstunden

Von 18 Uhr bis 6 Uhr hatten Deutsche Ausgangsverbot.

→ Verbot, auf dem Gehsteig zu gehen

→ Verbot öffentliche Einrichtungen zu betreten:

Gaststätten, Kinos, Theater, Schwimmbäder, Sportplätze, Sportstätten, Parks etc.

Aus einem Bericht der jüdischen Religionsgemeinschaften in Böhmen und Mähren vom Oktober 1947, der in dem Bulletin der jüdischen Religionsgemeinschaft in Prag (Praha) "Věstník náboženské obce židovské" (Amtsblatt der jüdischen Gemeinde) abgedruckt ist, geht hervor, daß sämtliche Maßnahmen, die gegen die Deutschen in der Tschechoslowakei erlassen wurden, auch für die Juden galten, die sich seit 1929 zu irgendeinem Zeitpunkt zum Deutschtum bekannt hatten.

Quellen:

Theodor Schieder (Hg.): Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. IV/I, Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei, Bonn 1957;

Fritz Peter Habel, Dokumente zur Sudetenfrage

 

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