10 Jahre tschechoslowakische Internierung und Zwangsarbeit
Edith Bergler, Bayreuth

Der Bericht beinhaltet die 10jährige Internierung und Zwangsarbeit meines Vaters Ernst Putz, Waagenmeister in Eger, in der Tschecholowakei.
Der lückenlose Lagerverlauf sowie die Angaben über die einzelnen Lager wurden mir am 20. April 2000 vom Deutschen Roten Kreuz, Abteilung Suchdienst, München, übergeben.

20. Mai 1945: Verhaftung

Mein Vater wurde in Eger auf dem Marktplatz ohne Angabe von Gründen von tschechoslowakischen Polizisten festgenommen.
Wegen der zahlreichen Verhaftungen wurden die Menschen auch im Egerer Kreisgerichtsgefängnis unter härtesten Bedingungen vor ihrer "Verhandlung" monatelang in völlig überfüllten Zellen, unter unvorstellbaren hygienischen Verhältnissen, bei miserabelster Ernährung, schwerer Arbeit und täglichen Schlägen eingekerkert.
Für meine Familie hatte die Internierung meines Vaters einschneidende Folgen. Sie war ab diesem Zeitpunkt mittellos, denn bei Verhaftung wurden sofort sämtliche Bankkonten gesperrt. Hätten Geschäftsleute in Eger meine Familie nicht hinter dem Rücken der tschechischen Verwalter mit Lebensmitteln versorgt, hätten wir hungern müssen (siehe Diskriminierende Maßnahmen).

18. Februar 1946: Verhandlung vor dem Außerordentlichen Volksgericht in Eger

Richter war Dr. Titmann (siehe: " Die Außerordentlichen Volksgerichte").
Mein Vater wurde zu Zwangsarbeit verurteilt. Er kannte den Grund seiner Strafe nicht, da er kein Tschechisch konnte und bei seiner "Verhandlung" kein Dolmetscher eingesetzt war.

 

Der Lagerverlauf

18. Februar 1946 – 23. Juli 1949: Plzeň–Bory (Pilsen–Bory)

Diese Strafanstalt gehörte zu den härtesten in der Tschechoslowakei. Deutsche waren hier von 1945 – 1950 interniert. Die ersten Monate mußten unter freiem Himmel verbracht werden. Nahrung wurde fast nicht verabreicht, weil die Deutschen krepieren sollten. Mitfühlende tschechische Frauen, die das Elend nicht mehr mit ansehen konnten, warfen den deutschen Häftlingen hinter dem Rücken der Bewacher Brot über den Zaun. Das rettete meinen Vater dort vor dem Verhungern. Wären diese Frauen erwischt worden, hätte sie wegen Kollaboration mit dem Feind eine schwere Strafe erwartet.
Zwangsarbeit mußte er auf Gütern und in Fabriken leisten, immer in Sträflingskleidung und nur in dieser, auch bei Arbeiten im Freien bei großer Kälte.
Eine gewisse Zeit war er bei einer Kolonne eingeteilt, die Müll aus Eisenbahnwaggons ausladen mußte. Den Bewachern machte es eine besondere Freude, die Häftlinge bei Minusgraden mit dem Wasserschlauch zu bespritzen und ihnen zum Ausladen des gefrorenen Mülls keine Werkzeuge zur Verfügung zu stellen. Das Soll mußte mit den bloßen Händen erledigt werden.
Viele haben diese und ähnliche Torturen nicht überlebt, denn neben den genannten Unmenschlichkeiten, die hier nicht alle aufgezählt werden können, dem Hunger und der Kälte waren auch noch die täglichen Schläge und Appelle zu verkraften, bei denen die Häftlinge neben der körperlichen Gewalt auch dem Psychoterror der Wachmannschaften ausgesetzt waren. Die Häftlinge aus Plzeň–Bory (Pilsen–Bory) mußten nach 1948 fast alle im Uranbergbau arbeiten.

 

23. Juli 1949 – 20. Januar 1950: Lager Plzeň–Karlovo (Pilsen–Karlstadt)

In diesem Lager befanden sich von 1946 bis 1952 deutsche Kriegsgefangene und Zivilpersonen. Es hatte viele Nebenlager bei den Zwangsarbeitsstätten. Die höchste Belegstärke wird mit 12.000 Internierten angegeben. Auch aus diesem Lager wurden in den Jahren 1949 und 1950 viele Häftlinge in die Urangruben nach St. Joachimsthal (Jáchymov) und in die neuen Uranlager in der Gegend von Karlsbad (Karlovy Vary) gebracht.

 

20. Januar 1950 – 01. Mai 1953: Libkovice (Liquitz) Lager Nr. 33, Kohlenschacht; zwischen Brüx (Most) und Dux (Duchcov) gelegen

Das Lager ist als Straf– und Arbeitslager für Kriegsgefangene und Zivilinternierte ausgewiesen. Es war von 1945 bis 1953 belegt. Der Arbeitseinsatz der Internierten wird mit Kohlengrube, Minenräumen, Sprengen von Munition und Entschärfen von Granaten angegeben. Nach den Angaben meines Vaters arbeiteten im Schacht auch von den Kommunisten internierte Tschechen. Sein Zwangsarbeitsplatz war mit den anderen Deutschen der unterste Stollen im Bergwerk. Da dort nur Deutsche eingesetzt waren, hatte dieser Stollen unter den Häftlingen die Bezeichnung "deutsche Sohle". Hier konnte man wegen der geringen Stehhöhe nur gebückt und wegen der Hitze nur fast nackt arbeiten. In diesem Lager hatte mein Vater einen schweren Unfall unter Tage mit Schlüsselbeinbruch, Rippenbrüchen und Lungenquetschung.

 

1. Mai 1953 – 30. April 1955: Ročov (Rotschau) in der Nähe von Laun (Louny)

Hier hatten die Kommunisten in einem Kloster eine Lungenheilstätte eingerichtet. Zwangsarbeit mußte er als Heizer leisten. (Nach 1955 wurde das Kloster als Anstalt für psychisch Kranke genutzt. Infolge der "sanften Revolution" 1989/90 bekam der Orden das Kloster zurück.)

 

1. Mai 1955: Aussonderung mit anderen Internierten in einem Barackenlager

Den Männer wurde hier täglich eine Spritze verabreicht. Die Frage nach dem Warum wurde nicht beantwortet. In kurzer Zeit wußten sie selbst Bescheid, denn sie nahmen ständig zu, obwohl das Essen nicht mehr oder besser geworden war. Wasser sammelte sich in ihrem Körpergewebe, weil sie "wohlgenährt" aus der Internierung zu ihren Familien in Deutschland abgeschoben werden sollten. Das war das letzte Verbrechen, das in der Tschechoslowakei an meinem Vater verübt wurde.

 

1. Juni 1955: Entlassung

Nicht einmal jetzt wurde meinem Vater der Grund seiner 10jährigen Internierung und Ausbeutung als Zwangsarbeiter genannt.

 

1. Juni 1955: Einreise in die Bundesrepublik Deutschland über Hof-Moschendorf

Für den Rest seines Lebens war er ein kranker Mann.
Trotz der zehn schweren Jahre der Demütigung und Qual brachte er die menschliche Größe auf, die Tschechen nicht im Kollektiv zu hassen, denn er hatte während seiner Internierung Tschechen getroffen, die menschlich mit ihm umgingen, die Unmenschlichkeit ihrer Landsleute verurteilten und sich dafür schämten. (siehe Tschechisches Lagersystem)

 

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